Rosa Putzbox und Pferdchen-Gespräche?
Hand aufs Herz: Wenn wir an Kinder und Reiten denken, haben wir ein ziemlich klares Bild vor Augen. Ein blondes Mädchen mit Pferdeschwanz, das liebevoll ihr Pony striegelt. Rosa Putzbox, Herzchen auf dem Reithelm und ganz viel Kuschelzeit im Stall. Süß, ja. Aber auch ganz schön einseitig, oder?
Denn Reiten ist bei Kindern – vor allem bei jüngeren – gefühlt ein reiner Mädchensport. Jungs im Stall? Eine Ausnahme. Und das, obwohl Reiten Kraft, Technik, Mut und echtes Feingefühl erfordert. Warum also sind so wenige Jungen dabei? Und was können wir als Eltern tun, damit sich das ändert?
In diesem Artikel geht es um Vorurteile, echte Chancen und warum der Reitsport für ALLE Kinder ein Gewinn sein kann.
Warum Jungs aufs Pferd gehören – und was sie davon haben
1. Reiten fördert Körper & Kopf – unabhängig vom Geschlecht
Pferdesport ist viel mehr als „Pony streicheln“. Wer reitet, trainiert Gleichgewicht, Konzentration, Koordination und Durchsetzungsvermögen. Das alles sind Eigenschaften, von denen auch (und gerade!) Jungen profitieren.
Ein Pony zu führen, sein Verhalten zu lesen, sich durchzusetzen – das hat nichts mit Rosa zu tun, sondern mit Persönlichkeit. Reiten bringt Kinder raus aus dem Kopf und rein in den Körper. Es stärkt Selbstvertrauen, sorgt für Bewegung an der frischen Luft und hilft, Verantwortung zu übernehmen. Alles Dinge, die auch vielen Jungs guttun würden – wenn man sie denn ließe.
2. Vorurteile bremsen Jungs aus – nicht das Pferd
Dass Jungen beim Reiten oft schief angesehen werden („Was, du reitest? Wie ein Mädchen?!“) liegt leider immer noch an alten Rollenbildern. Dabei ist es paradox: In der Geschichte waren Pferde jahrhundertelang Männersache – Ritter, Cowboys, Kavalleristen. Und auch in der heutigen Reitszene sind viele Profis männlich: Springreiter, Dressurstars, Vielseitigkeitsreiter. Aber bei Kindern?
Da kippt das Bild plötzlich ins Klischee. Eltern und andere Kinder hinterfragen: Warum will ein Junge reiten? Will er nicht lieber Fußball spielen?
Unser Appell an dich als Elternteil:
Hinterfrage auch deine eigenen Bilder im Kopf. Vielleicht kommt dein Sohn von ganz allein auf die Idee, zu reiten – oder vielleicht braucht er ein bisschen Ermutigung, weil er Angst hat, „komisch“ dazustehen.
3. Pferde sind starke Partner – gerade für Jungen
Viele Jungs lieben Tiere, Bewegung und Action – und Pferde bieten genau das. Ob beim Voltigieren, im Gelände oder beim Springen: Hier können Jungen ihre Kraft dosieren, lernen Verantwortung zu übernehmen und gleichzeitig Nähe zu einem Tier aufbauen. Das ist nicht weich, das ist stark.
Und noch etwas: Pferde machen keine Unterschiede. Sie reagieren auf Körpersprache, Stimmung, Energie. Sie fordern Klarheit, Präsenz – und schenken Vertrauen. Für Kinder, die manchmal zu laut oder zu wild wirken, kann das unglaublich heilsam sein.
Eigene Erfahrung: Als mein Neffe reiten wollte – und ich fast zögerte
Ich erinnere mich gut: Mein Neffe – damals acht Jahre alt – sagte beim Familienfest plötzlich, dass er gern mal mit in den Reitstall käme. Meine beiden Töchter reiten, also warum nicht?
Ich war überrascht – und ehrlich gesagt auch ein kleines bisschen skeptisch. Nicht wegen ihm, sondern wegen der Umgebung: Mädels über Mädels, Glitzerhalfter und Pferdenamen wie „Sternchen“ oder „Fee“. Ich fragte mich: Wird er sich wohlfühlen?
Aber wir gingen hin – und er war begeistert. Nicht von den Einhörnern, sondern vom Füttern, vom Führen, vom galoppierenden Pony. Ein paar Wochen später hatte er seine erste Reitstunde – mit festem Blick, roten Wangen und einem Lächeln, das bis zu den Ohren reichte.
Ich schämte mich, dass ich überhaupt gezögert hatte. Denn was ich sah, war kein „Mädchenhobby“, sondern ein Kind, das in einem Tier einen echten Partner gefunden hatte.
Fazit: Raus aus den Schubladen – rein in den Sattel!
Reiten ist kein Mädchensport. Punkt.
Es ist ein intensives, vielseitiges Hobby, das Kindern Werte und Fähigkeiten mit auf den Weg gibt – egal, ob sie eine Schleife im Haar oder Grasflecken auf der Hose haben. Wir als Eltern tragen eine große Verantwortung: Wir können die Tür öffnen oder sie – oft unbewusst – verschlossen halten.
Wenn dein Sohn Interesse zeigt: Geh mit ihm in den Stall. Frag nach Kursen, in denen Jungen willkommen sind. Schau dir Reitfilme und Pferdebücher an, in denen Jungs die Hauptrolle spielen (ja, es gibt sie!). Und sei bereit, deinen Blick auf den Sport zu weiten.
Denn am Ende zählt nicht das Klischee, sondern das Leuchten in den Augen – deines Kindes.
FAQ – Reiten für Jungs: Häufige Fragen von Eltern
Ist Reiten wirklich etwas für meinen „wilden“ Sohn?
Gerade bewegungsfreudige Kinder profitieren vom Reiten – es bringt Struktur, fördert Körperkontrolle und sorgt für tierische Freundschaften.
Gibt es spezielle Angebote für Jungen?
In manchen Reitschulen ja – zum Beispiel gemischte Voltigiergruppen oder Reitgruppen mit sportlichem Fokus. Nachfragen lohnt sich!
Mein Sohn findet rosa Putzzeug peinlich – was tun?
Kein Problem: Viele Zubehörmarken bieten neutrale oder coole Designs an. Lass dein Kind seine Sachen selbst aussuchen – das stärkt die Identifikation.
Wie reagiere ich auf blöde Kommentare von anderen Eltern oder Kindern?
Klar und selbstbewusst: „Reiten ist ein Sport wie jeder andere – und mein Kind liebt es.“ Oft helfen auch Vorbilder: Zeig erfolgreiche männliche Reiter.
Wie kann ich mein Kind unterstützen, wenn es sich unsicher fühlt?
Begleite es in den Stall, sei offen für Gespräche, such Vorbilder – und vermittle das Gefühl: Du bist okay, so wie du bist. Mit oder ohne Pferd.
Zum Schluss: Lass uns gemeinsam dafür sorgen, dass der Reitstall kein „Mädchending“ bleibt. Denn Pferde kennen kein Geschlecht – sie spüren nur Herz, Klarheit und Respekt. Und genau das können auch Jungs mitbringen.